Arzneimittelfälschungen
Information, Auswirkung & Maßnahmen

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Arzneimittelfälschungen sind eine weltweite Gefahr

Arzneimittelfälschungen entwickeln sich weltweit zu einer immer größer werdenden Bedrohung für die Gesundheit. Die WHO geht davon aus, dass in Industrieländern bis zu sieben Prozent und in Entwicklungsländern 30 bis 70 Prozent der Arzneimittel Fälschungen sind. (1) Da die Gewinnspannen hier noch höher sind als bei harten Drogen wie Heroin und Kokain, sind zunehmend auch weltweit operierende Fälschersyndikate involviert. (3)

In Deutschland verlässt man sich besonders darauf, dass Gesetzgeber, Behörden und die Marktteilnehmer die Sicherheit von Arzneimitteln gewährleisten. Allerdings machen der weltweite Warenverkehr und die Produktpiraterie auch vor Arzneimitteln nicht Halt. Da teure so genannte "Lifestyle"-Arzneimittel gegen erektile Dysfunktion (Bsp. Viagra) oder Fettleibigkeit reduzierende (Bsp. Xenical) von den Krankenkassen nicht ersetzt werden, kommen gefälschte Medikamente auch in Deutschland zunehmend über illegale Wege, hauptsächlich über den Versandhandel, in den Markt.

1. Definition Arzneimittelfälschung

Die WHO definiert Medikamente als Arzneimittelfälschungen, die

  • keinen oder den falschen Wirkstoff enthalten
  • zu wenig oder zu viel Wirkstoff bzw. eine falsche Zusammensetzung der Inhaltsstoffe besitzen
  • eine gefälschte Verpackung oder gefälschte Packungsbeilage aufweisen
  • falsch deklariert und ohne Zulassung sind. (2)

Ähnlich sieht es das deutsche Arzneimittelgesetz. Danach ist ein Arzneimittel mit falschen Angaben über:

  • Identität (Verpackung, Kennzeichnung, Bezeichnung oder Zusammensetzung)
  • Herkunft (Hersteller, Herkunftsland, Inhaber der Zulassung)
  • Vertriebsweg
ein gefälschtes Arzneimittel (§ 4, Abs. 40 AMG).

Mit dem Begriff Identität sind gefälschte Inhaltsstoffe gemeint, die entweder wirkungslos (z. Bsp. Backpulver oder Wasser) oder noch zusätzlich gefährlich (z. Bsp. Lösungsmittel oder Zement) sein können. In den Bereich Kennzeichnung fallen u. a. gefälschte Haltbarkeitsdaten für bereits abgelaufene Medikamente.

2. Welche Arzneimittel werden gefälscht

Kein Arzneimittel ist sicher vor Fälschungen und alle Darreichungsformen sind betroffen, also Tabletten, Kapseln, Dragees, Salben und Lösungen. Generika werden ebenso wie Originalmedikamente gefälscht. Das Aufkommen bestimmter Wirkstoffe ist in verschiedenen Ländern und Regionen jedoch unterschiedlich und hängt häufig von der Nachfrage bzw. vom Preis ab, z. B. Malariamittel und HIV-Medikamente in Afrika.

In Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten werden hauptsächlich gefälschte Potenzmittel, Schlankheitsmittel sowie Anabolika sichergestellt. Ähnlich sieht es in den USA, Kanada, Japan und Australien aus.

Ganz anders ist die Situation in Afrika und Asien, wo sich beispielsweise Malaria-Arzneimittel zu über 50 Prozent als Fälschungen erwiesen. (4) Auch AIDS-Medikamente, Schmerzmittel, Antibiotika, Herz-Kreislaufmittel und Schwangerschaftsverhütungsmittel spielen hier eine große Rolle. Es werden also sowohl teurere Arzneimittel (z. B. gegen AIDS) gefälscht als auch günstige, die in großen Mengen benötigt werden (z. B. Paracetamol).

3. Ursachen für AM-Fälschungen

Die Hauptursache für Medikamenten-Fälschungen sind die extrem hohen Gewinnmargen für die Fälscher und die derzeit in einigen Ländern immer noch relativ geringe Gefahr der Entdeckung und Strafen, Korruption, die fehlende Verfügbarkeit in ländlichen Regionen sowie hohe Preisunterschiede für den Endverbraucher. Fehlender politischer Wille und eine mangelhafte Gesetzgebung mit unzureichenden Sanktionen erleichtern die Produktion und Verbreitung von gefälschten Arzneimitteln gerade in Entwicklungsländern. Nicht regulierte und intransparente Vertriebswege ermöglichen das Einschleusen von gefälschter Ware ebenso wie der Internet- und Versandhandel über Landesgrenzen hinweg sowie der allgemeine Wegfall von Handelshemmnissen.

Großes Aufsehen erregte 2008 der Heparin-Skandal, bei dem verunreinigtes Heparin in den USA zu über 80 Todesfällen führte. (5) Auch in Deutschland wurde verunreinigtes Heparin gefunden, glücklicherweise gab es aber keine Todesfälle. Verursacher waren chinesische Lieferanten des amerikanischen Herstellers Baxter, die Heparin mit Chondroitinsulfat streckten. Bis heute gilt die Heparin-Produktion als problematisch, denn seit der BSE-Krise darf Heparin nur noch aus Schweinedärmen gewonnen werden. Der hohe Bedarf an Schweinen kann allerdings bisher nur durch China gedeckt werden. Dieser Fall macht auch deutlich, wie der Schutz vor bestimmten Erregern (hier BSE) zu neuen Risiken führen kann.

In Europa ermöglicht die Internationalisierung von Herstellung und Vertrieb, der weit verbreitete und häufig staatlich erwünschte Reimport sowie vor allem der Versandhandel und die vermeintlich einfache Bestellung über das Internet die Umgehung der behördlich überwachten Vertriebswege und somit das Einschleusen von Fälschungen. Dem Internet-Besteller, also dem Verbraucher, fehlt das Problembewusstsein und ihm ist oft nicht klar, dass er selbst gegen Gesetze verstößt, wenn er ein in Deutschland rezeptpflichtiges Arzneimittel im Ausland ohne Rezept bestellt.

4. Umfang und Menge von AM-Fälschungen

Der Umfang der Arzneimittelfälschungen kann auf Grund der hohen Dunkelziffer nur geschätzt werden. Die WHO geht davon aus, dass der Anteil an AM-Fälschungen in Ländern mit geringen Kontrollen bei bis zu 30 Prozent liegt und in Ländern mit intensiven Kontroll- und Zulassungsregelungen bei etwa einem Prozent (siehe Grafik). Die WHO beziffert den weltweiten Umsatz mit gefälschten Arzneimitteln auf 10 Prozent, was im Jahr 2010 einem Volumen von 75 Milliarden US$ entsprach. (6)

Marktanteil der Arzneimittelfälschungen weltweit
Quelle: http://dev.unitb.de/preview/sa/Arzneimittelfaelschungen/live/de/de/arzneimittelfaelschungen-bedrohung.html (am 18.1.2013)

Die folgende Grafik zeigt, in welchen Regionen die meisten Fälle von Arzneimittel¬fälschungen aktenkundig geworden sind. Zusätzlich macht sie deutlich, dass vor allem in Ländern ohne klare gesetzliche Regelungen und/oder mit mangelhafter Überwachung seitens der Behörden Arzneimittelfälschungen oft unentdeckt bleiben.

Regionen mit meisten aktenkundigen Fälschungen
Quelle: http://www.psi-inc.org/geographicDistributions.cfm (am 18.1.2013)

Gerade in einigen afrikanischen Ländern ist die Situation sehr dramatisch. Aufgrund einer generell schlechten Arzneimittelversorgung, Korruption und einer kaum vorhandenen Überwachung und Kontrolle geht man z. B. in Angola und Nigeria davon aus, dass bis zu 70 Prozent der Medikamente gefälscht bzw. mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum im Umlauf sind. (7)

In Asien untersuchte zwischen 1999 – 2006 eine Arbeitsgruppe aus Medizinern, Polizisten und Chemikern zusammen mit INTERPOL und der Western Pacific World Health Organisation Malariamittel mit dem Wirkstoff Artesunat auf ihre Echtheit. Die 391 Stichproben stammten aus Vietnam, Kambodscha, Laos und Myanmar. 49,9 Prozent davon stellten sich als gefälscht heraus. Auf Grund detaillierter Analyse der verunreinigten Inhaltsstoffe konnte ermittelt werden, dass die Fälscherwerkstätten im Süden Chinas angesiedelt sein mussten. Zwei Händler wurden verhaftet, die 240.000 gefälschte Packungen Artesunat vertrieben hatten. (8)

In Deutschland sind die registrierten Fälle noch sehr gering. Über den klassischen, gesetzlich reglementierten und behördlich überwachten Vertriebsweg Hersteller, Großhandel und Apotheke sind in den letzten Jahren nur Einzelfälle bekannt geworden, lt. Bundeskriminalamt waren es 40 Fälle zwischen1996 und 2008. Die Mehrzahl davon betraf gefälschte Umverpackungen aus Re-Importen, die keine Zulassung hatten, aber der jeweils enthaltene Wirkstoff dem Original-Medikament nahezu entsprach. (9)

Anders sieht es mit Waren, die hauptsächlich über das Internet im Ausland bestellt werden, aus. Der Zoll weist eine jährlich zunehmende Anzahl von Verstößen aus. So wurden 2011 Arzneimittel im Wert von über 3 Mio. Euro sichergestellt, im Vergleich zu 2009 ist das eine Steigerung von 30 Prozent. (10)

Exkurs Arzneimittelversand - Internethandel mit Arzneimitteln

In Deutschland ist der Versandhandel mit Arzneimitteln seit 2004 erlaubt. Öffentliche Apotheken können mit einer speziellen Versandhandelserlaubnis rezeptfreie und rezeptpflichtige Medikamente versenden. Darüber hinaus dürfen Verbraucher in Deutschland nicht rezeptpflichtige Arzneimittel auch bei Versandapotheken innerhalb der EU erwerben. Da nur wenige EU-Länder den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamente gestatten, dürfen Arzneimittel, für die in Deutschland eine Rezeptpflicht besteht, nur in Großbritannien, Island, den Niederlanden (wenn die Versandapotheke auch eine Präsenzapotheke ist) und Schweden bestellt werden.

Vielen Verbrauchern ist nicht bewusst, dass sie eine Ordnungswidrigkeit begehen, wenn sie Medikamente aus anderen Ländern oder bei nicht zugelassenen Versandapotheken kaufen. Das AMG verbietet das "Verbringen" von Medikamenten aus Drittländern, das Kaufen von in Deutschland rezeptpflichtigen Arzneimitteln oder von Nahrungsergänzungsmitteln, die im Ausland nicht als Arzneimittel gelten, aber aufgrund von Wirkstoffgehalten in Deutschland als Arzneimittel ohne Zulassung eingestuft werden (§ 73, Abs. 1 AMG).

Da in vielen europäischen Ländern die so genannten "Life-Style"-Medikamente nicht von den Krankenkassen erstattet werden, suchen Verbraucher nach preisgünstigen Bezugsquellen für Wirkstoffe wie Sildenafil (Viagra), Tadalafil (Cialis) oder Vardenafil (Levitra). Außerdem bietet die Anonymität des Internets den Vorteil, dass man sich nicht in einer Apotheke vor Ort zu seinem Leiden wie erektile Dysfunktion oder androgenetischem Haarausfall bekennen muss. Auch der vermeintlich einfache Weg, ohne ein Rezept diese Medikamente kaufen zu können und damit einen Arztbesuch zu vermeiden, ist für Betroffene häufig ein vordergründig einfacher, direkter Weg.

Die Unterscheidung zwischen einer zugelassenen Versandapotheke und einem betrügerischen Angebot ist häufig schwierig oder wird bewusst übersehen. Um eine zugelassene Versandapotheke von einer gefälschten Apotheke zu unterscheiden, sollte man folgende Kriterien vor einer Bestellung prüfen:

Sitz der Apotheke in Deutschland

Geprüfte Versandapotheke mit einem Zertifikat der DIMDI (Deutsches Institut für Dokumentation und Information), wobei zu beachten ist, dass professionelle Fälscher auch das DIMDI-Zeichen fälschen können. Zur Sicherheit kann man direkt unter http://www.dimdi.de/static/de/index.html prüfen, ob die ausgewählte Apotheke registriert ist.

Hinweise für eine nicht sichere Versandapotheke können sein:

  • Versand von rezeptpflichtigen Arzneimitteln auch ohne Rezept
  • Angebot eines Online-Arztes oder eines Online-Rezeptes
  • Sitz der Versandapotheke nicht in den Ländern Großbritannien, Island, den Niederlanden, Schweden

Nach Angaben der EAASM (European Alliance for Access to safe Medicine) sind 62 Prozent der online bestellten Arzneimittel entweder gefälscht oder von schlechter Qualität sowie 8 von 10 Internet-Apotheken keine zugelassenen Apotheken. (11)

Einer holländischen Studie zufolge waren von 370 Viagra-Stichproben, die über das Internet bestellt waren, lediglich 10 echt. (12)

Es ist abzusehen, dass gerade das Thema Viagra in nächster Zeit noch unübersichtlicher wird, denn der Patentschutz läuft in Deutschland 2013 für das Potenzmittel aus. Begleitet von den Medien werden neben einer Vielzahl von zugelassenen Generika-Herstellern, die dann Sildenafil-Präparate produzieren, noch sehr viel mehr betrügerische Anbieter versuchen, unerlaubte Geschäfte zu machen.

5. Auswirkungen von Arzneimittelfälschungen

Die Folgen der Einnahme von gefälschten Medikamenten sind weitreichend. Neben der Gesundheitsgefährdung des Patienten auf Grund mangelnder Wirksamkeit können Fälschungen auch zum Tod vieler Patienten führen: So starben 2009 in Nigeria mindestens 84 Kinder nach der Einnahme von My Pikin Baby Teeth Tinktur, einem Sirup gegen Zahnungsschmerzen. Die Tinktur war mit Diethylenglykol gestreckt worden. Ebenfalls Diethylenglykol war 2006 die Ursache für 365 Tote in Panama nach Einnahme von Hustensirup und Antihistaminika. (13)

Das amerikanische NIH (National Institutes of Health) hat Studien über Malaria-Medikamente ausgewertet und festgestellt, dass in sieben Ländern Südostasiens 36 Prozent der Malaria-Arznei gefälscht waren und weitere 35 Prozent analytisch negativ auffielen. Bei Stichproben aus 21 afrikanischen Ländern waren 55 Prozent gefälscht bzw. analytisch nicht einwandfrei. (14) Besonders perfide war bei einer Reihe von Fälschungen die Beimischung von Fieber senkendem Paracetamol, das so anfangs den Eindruck erweckte, dass es wirkt.

Sehr problematisch sind auch die langfristigen Auswirkungen einer zu geringen Wirkstoffkonzentration und einer zu kurzen Behandlungsdauer: sie führen zur Bildung resistenter Erreger-Stämme. Eine Ausbreitung solcher Stämme zeigt sich bereits in der Grenzregion von Thailand und Myanmar. Der NIH weist außerdem auf die problematische Rolle Indiens und China hin. Beide Länder sind die größten Produzenten des Wirkstoffes Artemisinin. (15)

2012 wurden gefälschte Ampullen des Krebsmittels Avastin in den USA entdeckt. Betroffen waren 19 Arztpraxen, in denen gefälschte Packungen ohne wirksame Inhaltsstoffe gefunden wurden. Die Packungen waren über die Türkei und Großbritannien in die USA gelangt. (16)

Deutlich werden in all diesen Fällen die weltweite Verflechtung sowie die Notwendigkeit, dass Arzneimittelsicherheit nur durch die weltweite Zusammenarbeit von Behörden langfristig gewährleistet werden kann.

Die Entdeckung gefälschter Arzneimittel ist und bleibt sehr schwierig. Wenn ein Medikament nicht die erwartete Wirksamkeit besitzt, kann das an vielen Faktoren liegen (patientenindividuelle Verträglichkeit, Einnahmegenauigkeit bzw. Compliance, Dosierung, Interaktion mit anderen Medikamenten etc.), dass erst oder gar zu spät ein Rückschluss auf ein gefälschtes Arzneimittel gezogen wird.

6. Arzneimittelvertrieb

Dass in Europa, den USA, Australien und Japan die Gefahr von Arzneimittelfälschungen immer noch relativ gering ist, liegt vor allem an dem sicheren Arzneimittelvertrieb. Die gesetzlichen Regelungen und Strukturen sind in den einzelnen Ländern zwar unterschiedlich, aber grundsätzlich besteht eine klassische Lieferkette vom pharmazeutischen Hersteller über den behördlich zugelassenen Pharmagroßhandel an die erlaubnispflichtige Apotheke. Dieser Vertriebsweg unterliegt Gesetzen und Verordnungen, deren Einhaltung von verschiedenen Behörden überwacht wird. In Deutschland sind das z. B. AMG (Arzneimittelgesetz), ApoG, (Apothekengesetz) ApBetrO (Apothekenbetriebsordnung), AM-HandelsV (Großhandelsbetriebs¬verordnung).

7. EU-Richtlinie 2011/62/EU und ihre Umsetzung

Mit der EU-Richtlinie 2011/62/EU zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschung will die Europäische Kommission den Schutz der Patienten vor Arzneimittelfälschungen weiter erhöhen.

Die Richtlinie verlangt u. a. eine generelle Chargen-Dokumentation für den Großhandel und enthält auch Maßnahmen zur Überprüfung der Wirkstoffe. So sollen beispielsweise Audits in den Herstellerbetrieben sowie schriftliche Bestätigungen über die Gleichwertigkeit nationaler Vorschriften in Drittstaaten zum EU-Recht die GMP- und GDP-Regelungen gewährleisten. Damit soll die Qualität von Wirkstoffen, die nicht in der EU produziert werden, sichergestellt werden. (17)

Da gerade in der EU der Versandhandel das eigentliche offene Tor für das Inverkehrbringen von gefälschten Arzneimitteln ist, verlangt die EU-Richtlinie ein europaweites Register für zugelassene Versandapotheken (ähnlich dem derzeitigen DIMDI-Logo in Deutschland).

Um Arzneimittelpackungen fälschungssicher zu machen, wird es darüber hinaus bis 2017 für jede Packung eines verschreibungspflichtigen Medikamentes einen packungs¬bezogenen Code geben, der es Großhandel und Apotheke ermöglicht, die Echtheit einer Arzneimittelpackung zu überprüfen. Die europäischen Verbände Efpia (Pharma-Industrie) GIRP (Großhandel) und ZAEU (Apotheker) haben sich für eine randomisierte Seriennummer entschieden.

Die Kennzeichnung erfolgt mit einem zweidimensionalen DataMatrix-Code, der die Produktnummer, die Chargenbezeichnung, das Verfalldatum sowie eine Seriennummer enthält. Mit diesen Informationen kann jede einzelne Packung verifiziert werden. Gleichzeitig ermöglichen diese maschinenlesbaren Produktdaten eine bessere Warenbewirtschaftung, optimieren Logistikprozesse und bringen höhere Präzision bei Rückrufen.

Die Einführung des DataMatrix Codes wird in Deutschland über die securPharm, einer Initiative der pharmazeutischen Herstellerverbände BAH, BPI und vfa, des Großhandelsverbandes PHAGRO sowie des Dachverbandes der Apotheken ABDA organisiert.

Für die Apotheken wird es Pflicht, jede Arzneimittelpackung vor der Abgabe an den Patienten auf ihre Echtheit zu prüfen. Hierzu wird es notwendig sein, dass diese Kennzeichnung in einer zentralen Datenbank hinterlegt ist, damit die erforderliche Prüfung möglich ist.

Sobald die Apotheke die Packung als Original verifiziert hat und das Medikament abgibt, meldet sie die Abgabe und in der Datenbank wird die Packung auf "abgegeben" gesetzt. Diese Meldung ist wesentlicher Bestandteil des Fälschungsschutzes, da dadurch auch das Kopieren des DataMatrix-Codes spätestens bei der Abgabe auffallen wird.

Diesen Code werden alle rezeptpflichtigen Arzneimittel tragen, eine Ausnahme (White-List) soll für die Produkte gelten, für die kein Fälschungsrisiko festgestellt wird. Rezeptfreie Medikamente (OTC-Arzneimittel) benötigen keinen Code, es sei denn, es besteht ein Fälschungsrisiko (Black-List).


Quelle: http://www.securpharm.de/presse/grafiken-und-bilder.html (am 12.2.2013)

Auf europäischer Ebene soll das eTACT-System dann wie folgt aussehen: Ein zentrales Datensystem wird von den dezentralen Datenarchiven gespeist, die sich bei Herstellern oder nationalen Behörden befinden. Die bestehenden bzw. noch aufzubauenden nationalen Systeme müssen nicht ersetzt werden und das System soll mit allen 37 EU-Staaten kompatibel sein. (18)

EFPIA-Modell
EFPIA-Modell Quelle: Pharmazeutische Großhändler zwischen Wunsch und Wirklichkeit, Vortrag Lothar Jenne 19.3.2012)

Wie komplex die Thematik auf internationaler Ebene ist, zeigt die folgende Graphik. Hier wird deutlich, dass mit völlig unterschiedlichen Identifizierungen gearbeitet wird bzw. in einem Kontinent (Afrika) noch fast keine Produktnummer oder gar Kontrollmöglichkeiten vorgesehen sind bzw. eine Zusammenarbeit mit internationalen Stellen gewünscht ist.


Quelle: GS1 Global Healthcare Conference, Amsterdam 2011, Medicines Verification at the Point of Dispense, Prof. Dr. Leo Neels
Erläuterung:
GTIN (Global Trade Item Number, ehemals EAN)
NTIN (National Trade Item Number, bspw. 8-stellige PZN)

USA

In den USA wird derzeit von der PDSA (Pharmaceutical Distribution Security Alliance) das RxTEC (Pharmaceutical Traceability Enhancement Code)diskutiert bzw. vorbereitet, ein elektronisches Rückverfolgbarkeitssystem. Die pharmazeutischen Hersteller werden die einzelnen Verkaufseinheiten mit einem RxTeC-Etikett versehen und die Daten (Serialisierungsnummer, Chargennummer und Anzahl der Verkaufseinheiten pro Charge) speichern. Damit können die Wege der einzelnen Verkaufseinheiten nachvollzogen werden. Eine Rückverfolgbarkeit auf Ebene der einzelnen Packungen erscheint derzeit noch zu aufwändig. (19)

8. Maßnahmen gegen Fälschungen

Um die Menschen wirksam gegen Arzneimittelfälschungen zu schützen, sind eine Vielzahl von Maßnahmen und Projekten auf allen Ebenen und länderübergreifend notwendig.

8.1. Länderübergreifende Einsätze

Die WHO hat eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet, um gerade auch Ländern ohne gesetzliche Grundlagen oder funktionierende Überwachungsbehörden bei der Bekämpfung von Medikamentenfälschungen zu unterstützen. Darüber hinaus wurde 2006 die International Medical Products Anti-Counterfeiting Taskforce (IMPACT) ins Leben gerufen, ein weltweites Netzwerk aus internationalen Organisationen, Interessenverbänden, Pharmaherstellern sowie Strafverfolgungs- und Zulassungsbehörden, um länderübergreifend Fälschungen zu entdecken und gegen die international operierenden Hintermänner zu ermitteln.

Viagra Fälschung im Mittleren Osten
Viagra Prouktionsstätte in Mittleren Osten
Quelle: Arzneimittelfälschungen Counterfeit Drugs, Vortrag von Prof. Dr. Harald G. Schweim 2009

Ein Beispiel für den erfolgreichen Kampf ist die bereits zum fünften Mal stattfindende Operation Pangea, an der 2012 über 100 Länder in Zusammenarbeit mit Interpol, Zollbehörden und Dienstleistern wie Kredit¬kartengesellschaften eine Aktionswoche gegen den illegalen Internethandel mit Arzneimitteln vorgegangen sind. Gefälschte Arzneimittel im Wert von 10,5 Mio. US$ konnten sichergestellt werden und 80 Personen wurden verhaftet. Sichergestellt wurden Krebsmedikamente und Antibiotika, aber auch Tabletten gegen erektile Dysfunktion und Schlankheitsmittel. (20) Ebenfalls sehr erfolgreich sind die länderübergreifenden Operationen Storm in Südostasien, Mamba in Ost-Afrika und die Operation Cobra in west-afrikanischen Ländern.

2007 haben die Zollbehörden der 27 Mitgliedsstaaten der EU mit einer konzentrierten Aktion MEDI-FAKE innerhalb von 2 Monaten 34 Millionen Tabletten sichergestellt, u. a. am Flughafen in Brüssel 1,6 Mio. Schmerztabletten sowie 600.000 Tabletten gegen Malaria. (21)

Bei der Operation Singapore hat 2007 die MHRA (Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency) in Großbritannien über mehrere Monate 72.000 gefälschte Packungen (u. a. das Neuroleptikum Zyprexa, den Thrombozyten¬aggregations¬hemmer Plavix und das Krebsmittel Casodex) mit einem Wert von 4,7 Mio. Pfund sichergestellt. Der Weg der Ware konnte nachvollzogen werden: sie wurde von einer in Luxemburg ansässigen Firma in China gekauft, über Hongkong, Singapur und Belgien geliefert und als französische Ware nach England als Parallelimport eingeführt. (22)

Um die internationale Zusammenarbeit weiter zu verbessern, wurde vom Europarat 2011 die Medicrime Konvention ins Leben gerufen, einem internationalen Übereinkommen zum Schutz der Bevölkerung gegen gefälschte Medikamente. Die Konvention verpflichtet die unterzeichnenden Staaten u. a. die Herstellung, das Angebot und den Handel mit gefälschten Heilmitteln zu kriminalisieren. Sie bietet außerdem einen Rahmen für die nationale sowie internationale Zusammenarbeit unter den betroffenen Behörden. Derzeit haben 21 Staaten die Konvention unterschrieben, allerdings wurde sie noch nicht ratifiziert. (23)

8.2. Maßnahmen der Hersteller

Gerade auch die weltweit operierenden Pharma-Hersteller haben eine Vielzahl, teils offene (z. B. Hologramme), teils verdeckte Merkmale (z. B. spezielle Lackaussparungen oder Mikroschrift) auf ihren Packungen, die das Fälschen erschweren und das Entdecken einer Fälschung vereinfachen sollen. Vereinzelt wurden auch Produkte mit RFID-Etiketten versehen (Viagra in den USA). Mit diesen verdeckten Merkmalen sind allerdings nur einige Mitarbeiter des jeweiligen Herstellers vertraut, sie sind daher für den Schutz der Verbraucher nicht geeignet. Auch wurden bereits gefälschte Packungen mit ebenfalls gefälschten Hologrammen sichergestellt.

Darüber hinaus ist es für Hersteller auch wichtig, Maßnahmen dahingehend zu ergreifen, dass Verpackungs- und Arzneimittelabfall sowie Proben- und Testmaterial eindeutig gekennzeichnet und vernichtet werden. Dabei sollten auch die Auftragshersteller überwacht werden. Nicht mehr verwendbare Fertigarzneimittel, Retouren, verfallene Chargen, Rückstell- oder Stabilitätsmuster sind ebenfalls eindeutig zu kennzeichnen. Auch auf die sichere Entsorgung von Material aus Testläufen (auch bei Maschinenherstellern) und Placebos sollte geachtet werden.

8.3. Herstellerunabhängige Maßnahmen zur Arzneimittelsicherheit

mPedigree
Das mPedigree System ist in den west-afrikanischen Ländern Ghana und Kenia im Einsatz. Ein packungsspezifischer Rubbelcode wird vom Patienten per SMS an mPedigree geschickt und in wenigen Sekunden kommt die Antwort, ob die Packung echt ist. Die Kosten der SMS tragen afrikanische Hersteller bzw. ihre internationalen Mutterkonzerne. In Nigeria ist das mPedigree-Verfahren für Malaria-Medikamente inzwischen Pflicht. (24)

Minilabors
Der GPHF (Global Pharma Health Fund) entwickelte Kofferlabore zur Schnelltestung von Arzneimitteln. Mit diesen Minilaboren können über 50 Wirkstoffe getestet werden, z. B. Malariamittel, Antibiotika und Aidsmittel aber auch Hustensaft. Die Kofferlabore sind in über 80 Ländern auf allen Kontinenten im Einsatz. (25)

8.4. Information der Verbraucher

Die Fachleute sind sich einig, dass auch jeder einzelne Verbraucher bzw. Konsument eines Arzneimittels über die Risiken von Arzneimittelfälschungen und die Möglichkeit des Erkennens informiert sein sollte. Da die Gefahr in den einzelnen Ländern höchst unterschiedlich hoch ist, sind die einzelnen Länder in Zusammenarbeit mit den Herstellern aber auch den zugelassenen Apotheken gefordert, jeweils passende Aktionen durchzuführen.

Fazit

Exorbitante Gewinnspannen animieren Fälscher auch in Zukunft, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu riskieren. Neben der Überwachung der legalen Handelsstufen sind EU-weite, konzertierte Aktionen notwendig, um gefälschte Arzneimittel erst gar nicht ins Land zu lassen und Verstöße zu ahnden. Hier sind Zoll und Strafverfolgungsbehörden gefordert. Bisher geht in Europa das größte Risiko vom Versandhandel und den in einigen Ländern staatlich geförderten Reimporten aus. Vor allem was den Versandhandel betrifft, kann eine konsequente Information der Verbraucher über legale Versandapotheken ein wichtiger Schritt zum Schutz vor Fälschungen sein.



Stand: 6. März 2013

Quellen